Handy am Steuer doch erlaubt? Neues Urteil des OLG Stuttgart
Während der Autofahrt darf das Handy nicht benutzt werden – so lernt es jeder Autofahrer. Das Handyverbot am Steuer besteht schon viele Jahre und wird dennoch in den Zeiten moderner Smartphones häufig wenig beachtet. Ein neues Urteil lässt nun Zweifel aufkommen und weicht das Handyverbot auf. Demnach kann ein Autofahrer straffrei bleiben, wenn er das Handy zwar in der Hand hält, aber über eine Freisprechanlage telefoniert. In diesem Artikel erfährst Du die neuesten Entwicklungen zum Thema Handy am Steuer.
Handy am Steuer – ein leidiges Thema
Wer am Steuer telefoniert, der muss mit einer Strafe rechnen. Immer? Nein, denn eine kleine Gesetzeslücke schafft Spielraum für Interpretationen. Ein Urteil des Stuttgarter Oberlandesgerichts (Az.: 4 Ss 212/16) lässt das Telefonieren mit Freisprecheinrichtung straffrei ausgehen, selbst wenn der Fahrer das Handy dabei in der Hand hält. Der betroffene Fahrer tat genau das – er telefoniere über die Freisprechfunktion, hatte aber sein Mobiltelefon nicht im Wagen abgelegt oder in eine Haltevorrichtung eingeclipst, sondern einfach gehalten.
Das Urteil scheint verwunderlich, war doch das Benutzen eines Mobiltelefons schon seit der Anpassung der Straßenverkehrsordnung 2001 verboten. Demnach dürfte das Handy nicht in die Hand genommen werden, wenn der Motor läuft. Der Deutschen Anwaltvereins (DAV) kommentierte das Urteil und rät weiterhin, das Handy während der Fahrt nicht mit den Händen zu greifen – also besser Finger weg vom Handy am Steuer.
Neuformulierung des Handyverbots
Wichtig ist hierbei auch, dass das Handyverbot in der Straßenverkehrsordnung 2013 neu formuliert wurde. Zunächst wurde das Benutzen eines Handys generell verboten. Dann bekam der Passus „wenn das Mobiltelefon aufgenommen oder gehalten wird“ eine besondere Bedeutung. In §23 der Straßenverkehrsordnung, Absatz 1a steht nun geschrieben, dass
derjenige, der ein Fahrzeug führt, „ein Mobil- oder Autotelefon“ nicht verwenden darf, wenn dafür „das Mobiltelefon […] aufgenommen oder gehalten werden muss“.
Weiter heißt es, dass dies nicht gelte, wenn
„das Fahrzeug steht und […] der Motor ausgeschaltet ist.“.
Dieser Satz lässt Deutungen zu. So heißt es im Gesetzestext sinngemäß, dass das Verbot gilt, wenn das Handy gehalten werden muss. Was ist denn, wenn das Handy nicht gehalten werden muss? Wenn der Fahrer also nicht direkt mit dem Handy telefoniert, sondern eine Freisprechfunktion nutzt? Dann ist derjenige nicht vom Verbot betroffen. Typischerweise ist das der Fall, wenn Du Dein Smartphone in eine Halterung steckst und mit der Freisprecheinrichtung Deines Wagens koppelst oder wenn Du das Handy irgendwo im Wagen liegen hast und es per Bluetooth mit einem Freisprechgerät verbindest. Denn in beiden Fällen musst Du das Handy zum Telefonieren nicht mehr halten. Das ist legal und gut bekannt.
Was ist aber, wenn Du das Handy zwar nicht halten musst – weil es eben eine Freisprecheinrichtung gibt – aber das Handy dennoch in der Hand hast? Du musst es dann nicht halten, das Telefonieren gelingt auch ohne Festhalten des Handys, aber vielleicht hast Du das Handy dennoch in der Hand. Um so einen ähnlichen Fall ging es beim Oberlandesgericht Stuttgart. Denn wer eine Freisprecheinrichtung verwendet, muss das Handy zum Telefonieren nicht am Ohr halten, aber dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass der Fahrer das Handy trotzdem – aus welchem Grund auch immer – mit der Hand hält.
Wann wird das Fahrverhalten beeinträchtigt?
Das Handyverbot und der Verweis auf Freisprecheinrichtungen sollte eigentlich sicherstellen, dass der Fahrer im Auto beide Hände für das Lenken nutzen kann. Wissenschaftliche Untersuchungen hatten zuvor gezeigt, dass das Telefonieren beim Autofahren das Unfallrisiko erhöht und eine Freisprecheinrichtung dem Abhilfe schaffen kann.
Wer SMS schreibt, chattet oder surft sowie telefoniert, ist abgelenkt und konzentriert sich nicht mehr voll auf den Verkehr. Wer das Handy hingegen nur in der Hand hält, wird dadurch nicht wesentlich in seinem Fahrverhalten beeinträchtigt. Denn, so könnte man argumentieren, nur weil etwas in der Hand gehalten wird, muss der Fahrer dadurch nicht abgelenkt werden. Schließlich ist es auch nicht verboten, bei der Fahrt am Autoradio zu drehen oder zu rauchen, obwohl dabei eine Hand nicht mehr am Lenkrad liegt.
Handy am Steuer: Halten und Nutzen sind zwei verschiedene Aspekte
In den Augen der Stuttgarter Richter war es demnach in Ordnung, dass der Fahrer das Handy gehalten hat. Er hätte es jederzeit aus der Hand legen können, denn die Freisprecheinrichtung hätte dann weiter funktioniert. Der geänderte Gesetzestext der Straßenverkehrsordnung erfasst nämlich in der neuen Fassung nicht mehr das Verwenden jeglicher Handys, sondern bezieht sich nur auf Mobiltelefone, die gehalten werden müssen um sie zu nutzen. Denn wer mit dem Handy ohne Freisprechanlage telefoniert, kann dieses eben nicht einfach schnell weglegen, wenn er etwa in einer Windböe beide Hände an das Steuer legen muss. Die Freisprechanlage erlaubt dies hingegen.
Vorsicht – andere Gerichte urteilten anders
Bevor Du nun aber begeistert bei jeder Fahrt das Handy in der Hand hältst, gilt es zu bedenken, dass es sich hier nur um ein einzelnes Urteil handelt. Andere Gerichte urteilten in Fällen von „Handy am Steuer“ bereits dann gegen den Beschuldigten, wenn dieser sein Handy während der Fahrt nur an das Ladekabel angeschlossen hat. Zudem kann es Dir passieren, dass die Polizei Dich anhält, wenn sie sieht, dass Du ein Handy in der Hand hältst, unabhängig davon, was Du damit machst. Ich wurde beispielsweise vor kurzem angehalten, weil ich während der Fahrt gegessen habe – nichts Illegales, ich habe auch keine Strafe bekommen, aber die Polizei hat mich dennoch gestoppt und belehrt. Selbst wenn man dann nicht bestraft wird, hatte man es vielleicht gerade eilig und kommt genau wegen dieser Kontrolle zu spät.
Sag uns Deine Meinung zum Thema
Kein Handy am Steuer – hältst Du Dich daran? Viele tun es nicht und werden vielleicht durch dieses Urteil darin bestärkt. Was hältst Du davon? Macht das Urteil alles nur komplizierter oder können Handynutzer nun hoffen?