Digitale Patientenakte Vivy – Praktischer Helfer oder Datenschutz-Desaster
Weißt Du, wann Deine nächste Impfung ansteht? Oder ob sich Deine Kopfschmerztabletten mit anderen Medikamenten vertragen? Solche Infos und viel mehr kann Dir die App Vivy geben.
Vivy ist eine digitale Patientenakte, entwickelt im Auftrag von 16 Krankenkassen, die den Datenaustausch zwischen Patient, Arzt und Krankenversicherung vereinfachen soll.
Was ist Vivy?
Vivy ist der Name einer digitalen Patientenakte, die in Form einer App daherkommt. Vivy ist auch der Name des Unternehmens, das diese App entwickelt hat. Über die App sollen rund 13,5 Millionen Krankenversicherte in Deutschland ihre Gesundheitsdaten verwalten.
Den Auftrag für die App gab Bitmarck, der gemeinsame IT-Dienstleister der Krankenkassen in Deutschland. Die Vivy GmbH gewann das Ausschreibungsverfahren und machte sich an die Entwicklung der App. Zuvor hatte sich auch das Bundesgesundheitsministerium für eine App-Lösung ausgesprochen, deren Funktionen an die elektronische Gesundheitsakte andocken.
Aber wozu genau ist Vivy jetzt da?
Vor allem soll die digitale Patientenakte den Austausch zwischen Patient, Arzt und Krankenkasse vereinfachen. Dazu speichert sie zum Beispiel Befunde, Laborwerte und Röntgenbilder.
Warum eine digitale Patientenakte?
Warum brauchen Krankenversicherte überhaupt eine digitale Patientenakte?
Aus Sicht der Krankenkassen gibt es auf diese Frage mehrere Antworten. Zum Beispiel wissen viele Versicherte nicht, wann ihr nächster Impftermin oder die nächste Vorsorgeuntersuchung ansteht. Bist Du umgezogen und hast Dir einen neuen Hausarzt suchen müssen, kann dieser häufig Deine bisherigen Befunde nicht einsehen. Für genau solche Fälle ist die Vivy-App gedacht.
Dass der Bedarf für eine digitale Patientenakte besteht, zeigt auch eine Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der beteiligten Unternehmen durchgeführt hat. Demnach wissen 69 Prozent der Bundesbürger nicht, wann ihr nächster Impftermin ist. Und 43 Prozent haben keine Ahnung, welche Vorsorgeuntersuchen für sie empfohlen werden. Jeder vierte Befragte musste sich zudem schon mehrfach derselben Untersuchung unterziehen, weil ein neuer Arzt keinen Zugriff auf alte Untersuchungsergebnisse hatte.
Vivy soll mehr Überblick bieten. Verbraucher sollen besser über wichtige Termine, Vorsorgeuntersuchungen und Untersuchungsergebnisse informiert sein. Die Krankenkassen können derweil Geld sparen, wenn Mehrfachuntersuchungen wegfallen.
Nicht zuletzt folgt die Bereitstellung einer digitalen Patientenakte auch einer Vorgabe aus der Politik. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) möchte, dass alle gesetzlich Versicherten ab 2021 ihre Patientendaten am Handy und Tablet einsehen können.
Welche Funktionen bietet Vivy?
Vivy erinnert Dich nicht nur an Vorsorgeuntersuchungen und speichert Patientendaten.
Die App kann noch ein bisschen mehr:
- Digitaler Impfplan: Auf Grundlage der StIKo-Empfehlungen stellt Vivy einen persönlichen Impfplan für Dich auf.
- Wissenschaftlich fundierter Gesundheitscheck: Vivy wertet aus, wie es um Deine Gesundheit bestellt ist. Basierend auf Deinen Blutwerten berechnet die App außerdem Dein biologisches Alter.
- Personalisierte Fitness- und Wellness-Empfehlungen: Bewegst Du Dich genug? Bekommst Du ausreichend Schlag? Auf Basis Deiner medizinischen Daten gibt Vivy Dir Tipps, wie Du Deine Gesundheit verbessern kannst.
- Digitaler Medikationsplan: Musst Du regelmäßig Medikamente nehmen? Vivy sorgt dafür, dass Du die Einnahme nicht vergisst. Medikationspläne kannst Du einfach durch das Scannen eines QR- oder Barcodes erfassen.
- Wechselwirkungs-Check: Vertragen sich Deine Medikamente miteinander? Vivy checkt Arzneimittel auf mögliche Wechselwirkungen.
- Arztsuche: Wo ist der nächste Hausarzt? Wo findest Du Fachärzte an Deinem Wohnort? Mit Vivy kannst Du nach Ärzten in Deiner Umgebung suchen. Darüber hinaus zeigt die App auch Google-Bewertungen der Mediziner an.
- Speicherung von Überweisungen und Arztbriefen: Überweisungen und Arztbriefe kannst Du abfotografieren und mit Vivy speichern. So hast Du sie bei Bedarf schnell zur Hand und musst nicht alle Papiere mitnehmen.
- Notfalldaten auf einen Blick: Sollte Dir mal was passieren, zeigt Vivy Rettungskräften und Notärzten wichtige Notfalldaten wie Blutgruppe, Allergien und Vorerkrankungen an. Das funktioniert auch, wenn das Smartphone im Sperrmodus ist.
- Vernetzung mit Wearables: Vivy kann sich mit Fitnesstrackern und anderen Wearables verbinden, um Dir bessere Fitness-Tipps zu geben.
Neben diesen gesundheitsbezogenen Services bietet Vivy auch noch einige versicherungsbezogene Dienste an. Die unterscheiden sich je nach Krankenversicherung.
So kann die App zum Beispiel eine elektronische Form Deiner Versicherungskarte speichern. Das ist praktisch, falls Du Deine Karte mal zuhause vergessen hast. Außerdem gibt es Links zur Webseite und zu den Social Media-Kanälen des Versicherers sowie einen Bereich mit häufigen Fragen und Antworten zum Versicherer.
Macht Deine Krankenkasse bei dem Projekt mit?
Vivy ist ein Projekt von 14 gesetzlichen und zwei privaten Krankenkassen. Von den Privaten Krankenversicherungen (PKV) sind derzeit die Allianz und die Barmenia mit dabei. Ab Februar 2019 will auch die Gothaer Versicherung einsteigen.
Von den gesetzlichen Krankenversicherungen machen diese 14 mit:
- BKK Gildemeister/Seidensticker
- BKK Augsburg
- BKK Melitta Plus
- Bertelsmann BKK
- BKK Diakonie
- BKK Dürrkopp Adler
- BKK HMR
- DAK Gesundheit
- IKK Classic
- IKK Südwest
- IKK Nord
- Heimat Krankenkasse
- mhplus
- Pronova BKK
Seit dem 17. September 2018 informieren die beteiligten Krankenkassen ihre Versicherungsnehmer über die Möglichkeit, die digitale Patientenakte herunterzuladen.
Und die anderen Krankenkassen?
Bist Du bei einer anderen Krankenkasse versichert, sollst Du Dich dennoch für Vivy anmelden können. Du bekommst dann einen Einladungs-Code, den Du für die Registrierung nutzen kannst.
Die AOK und die Techniker Krankenkasse haben derweil auch eigene Lösungen für eine digitale Patientenakte entwickelt. Die TK hat ihre „TK-Safe“ genannte App im April 2018 vorgestellt. Derzeit befindet sich die App im erweiterten Testbetrieb mit mehr als 30.000 TK-Versicherten.
Die AOK hat ihr Gesundheitsnetzwerk zunächst in zwei Pilotprojekten in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern getestet. Anfang 2019 soll das Gesundheitsnetzwerk auch in anderen Regionen an den Start gehen.
Wie kannst Du Vivy nutzen?
Die App ist natürlich ein freiwilliges Angebot.
Möchtest Du die digitale Patientenakte nutzen, bekommst Du die Vivy-App kostenlos im Google Play Store und im Apple App-Store. Hast Du die App installiert, legst Du ein Konto an. Dafür gibst Du Deinen Namen ein und wählst Deine Krankenversicherung aus. Anschließend musst Du noch Deine E-Mailadresse angeben und ein Passwort festlegen. Deine Gesundheitsdaten kommen dann mit wenigen Klicks auf Dein Smartphone.
Wie ist es um den Datenschutz von Vivy bestellt?
Gesundheitsdaten sind sensibel. Selbstverständlich möchtest Du nicht, dass irgendwelche Fremden erfahren, welche Krankheiten Du hast oder welche Medikamente Du nimmst. Marketing-Firmen geht das erst recht nichts an.
Die Krankenkassen versprechen, dass Deine Daten bei Vivy sicher sind.
Nur Du als Nutzer sollst darüber entscheiden können, wie Deine gespeicherten Daten verwendet werden. Mehrstufige Sicherheitsprozesse und eine asymmetrische Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sollen dafür sorgen, dass weder die Vivy GmbH noch der Dienstleister Bitmarck Einsicht in Deine persönlichen Daten bekommen.
Dein Konto soll eine Zwei-Faktor-Authentifizierung schützen: Neben Deinem persönlichen Passwort musst Du noch Deine Smartphone-Nummer hinterlegen. Bei jeder Anmeldung erhältst Du eine SMS mit einem Verifizierungscode, den Du eingeben musst.
Zugriff auf die Abrechnungsdaten der Krankenkassen hat Vivy nicht. Daten wie Röntgenbilder und Medikamentenpläne teilen Patient und Arzt über einen verschlüsselten Backend-Server.
Der TÜV Rheinland hat Vivy als „sichere Mobile Applikation“ zertifiziert.
IT-Sicherheitsexperte kritisiert „Datenschutz-Bruchlandung“
Versprechen können die Krankenkassen und die Vivy GmbH natürlich viel. Der IT-Sicherheitsexperte Mike Kuketz hat sich die Vivy-App einmal genauer angesehen und kommt zu einem recht kritischen Urteil.
Noch bevor Du Dich überhaupt bei der App angemeldet hast, nimmt Vivy bereits Verbindung zu Datentrackern wie Mixpanel, Crashlytics und Branch.io auf, außerdem zu zwei Google-Diensten. Die Unternehmen erhalten Geräte- und Nutzungsdaten Deines Smartphones, zum Beispiel die Android-Versionsnummer und Informationen zum Gerätemodell und zur Bildschirmauflösung.
Gibst Du Deine Krankenkasse in die App ein, leitet Vivy diese Info ebenfalls an Mixpanel weiter. Immerhin: Deinen Namen erhält das US-Unternehmen nicht.
Die Datenschutzerklärung kannst Du erst zustimmen, nachdem Du Namen, Krankenkasse und E-Mailadresse sowie Passwort eingegeben hast. Nach Kuketz Ansicht ist das viel zu spät. Seiner Meinung nach legt die App eine „Datenschutz-Bruchlandung“ hin.
Vivy reagiert auf die Kritik
In einem Statement reagiert die Vivy GmbH auf die Kritik am Datenschutz. Darin betont das Unternehmen noch einmal, wie die persönlichen Daten der Nutzer verschlüsselt werden.
Demnach arbeitet Vivy mit einigen Analyse-Tools zusammen, um eine reibungslose und zuverlässige Handhabung der App zu gewährleisten. Das ist keineswegs unüblich. Vivy zufolge leitet die App ausschließlich anonymisierte technische Informationen an die Analyse-Tools weiter und keine Gesundheitsdaten. Alle Gesundheitsdaten seien zudem auf deutschen Servern gespeichert und unterliegen damit auch den deutschen Datenschutzgesetzen.
Deine Meinung ist gefragt?
Was meinst Du? Ist eine digitale Gesundheitskate prinzipiell sinnvoll oder aus Datenschutzgründen eher nicht? Ich bin gespannt auf Deine Meinung in den Kommentaren. 🙂
Also ich habe die Vivy App ausprobiert, sehr kompliziert, immer abgestürzt, Blindbildschirm usw. ich warte bis meine KK die ePA anbietet.
Moin, danke für die Info. Hast du die App selber ausprobiert? Du schreibst in deinem Artikel mehr über andere Meinungen, ich würde gerne wissen ob sich sowas wirklich lohnt oder ich denen nur meine Daten gebe und dafür nur Marketing Funktionen bekomme die nicht funktionieren oder keinen Mehrwert bieten…
Hallo Sven,
ich habe die digitale Patientenakte Vivy nicht selbst ausprobiert, es aber durchaus vor, da ich das Modell an sich sehr überzeugend finde. Dieser Artikel ist eher allgemeiner Natur und bindet meine eigenen Erfahrungen (noch) nicht mit ein. Aber vielleicht ist dieser Beitrag des Norddeutschen Rundfunks (NDR) für Dich interessant?! https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/das/Gesundheits-App-VIVY-im-Test,dasx16244.html
Viele Grüße,
Jannik
Die Anzahl der Krankenkassen ist nicht korrekt, es sind meines Wissens schon knapp 20 Kassen die dort teilnehmen, schau mal hier: https://www.vivy.com/versicherungspartner/
Hallo Carsten,
danke für Dein Feedback dazu! 🙂
Beste Grüße,
Jannik