Wie sicher ist die Verhütung per Smartphone App?

Verhütung per Smartphone App
Share

Heute beschäftigen wir uns mal mit dem Thema Empfängnisverhütung. Keine Sorge, es geht nicht um Bienchen und Blümchen. Vielmehr nehme ich einmal Zyklus-Apps unter die Lupe. Als natürliche Alternative zur Pille liegt die Verhütung per Smartphone App nämlich gerade im Trend. Doch wie sicher ist das eigentlich?

Verhütung per Smartphone App: Wie sicher sind Zyklus-Apps?

App statt Pille: „Natürliche“ Verhütung per Smartphone boomt

Hormonelle Verhütungsmittel wie die Anti-Baby-Pille gelten als sicher. Sie bringen jedoch auch jede Menge Nebenwirkungen mit sich, etwa Kopfschmerzen, sexuelle Lustlosigkeit, Thrombosen, Depression.

Viele Frauen haben keine Lust mehr auf den Eingriff in ihren Hormonhaushalt.

Daher greifen sie zu natürlichen Alternativen. Wer nicht dauerhaft mit Kondom verhüten möchte, denkt irgendwann über natürliche Familienplanung nach, abgekürzt NFP. Bei dieser Methode wollen einige Smartphone-Apps helfen.

Die Apps heißen myNFP, iNFP oder oveview, es gibt sie im Google Play Store und im App-Store von Apple. Schlagzeilen machte vor Kurzem die App Natural Cycles: Als erste Verhütungs-App hat sie eine Zertifizierung vom TÜV Süd erhalten.

Rund 600.000 Frauen weltweit sollen sich auf den Zyklus-Tracker Natural Cycles verlassen. Frauenärzte warnen allerdings vor der App. Das TÜV-Zertifikat sagt nämlich nur aus, dass die Anwendung die Anforderungen der europäischen Medizinproduktrichtlinie erfüllt. Das ist keineswegs ein Beleg für die Sicherheit der Verhütungsmethode.

Wie funktionieren die Verhütungs-Apps nun genau? Und was bemängeln Kritiker?

Wie funktionieren die Verhütungs-Apps?

Viele Verhütungs-Apps basieren wie gesagt auf NFP, der natürlichen Familienplanung. Grundlage ist die sogenannte symptothermale Methode. Für die natürliche Verhütung notieren Frauen zunächst, in welchem Abstand sie für gewöhnlich ihre Periode bekommen. Außerdem messen sie jeden Morgen um die gleiche Zeit ihre Körpertemperatur. Mit dem Eisprung steigt die Körpertemperatur nämlich um 0,2 bis 0,5 Grad an und bleibt bis kurz vor der Menstruation erhöht.

Zusätzlich beobachten Frauen den Zervixschleim oder die Muttermundbeschaffenheit. Menge und Beschaffenheit des Zervixschleims verändern sich im Laufe des Zyklus. Um den Einsprung herum ist er dünnflüssig und klar, später wird er zäher, um Spermien auf dem Weg zum Gebärmutterhals zu behindern.

Anhängerinnen der NFP greifen nur noch an den wenigen fruchtbaren Tagen im Monat zu Verhütungsmitteln. An den nicht fruchtbaren Tagen verzichten sie darauf.

Verhütungs-Apps sollen bei der symptothermalen Methode helfen. Frauen tragen die drei Parameter Temperatur, Periode und Zervixschleim-Beschaffenheit ein. Einige Apps lassen sich die Temperatur auch per Bluetooth-Thermometer übermitteln. Die App übernimmt die Auswertung und informiert über fruchtbare und unfruchtbare Tage.

Verhütungs-Apps sind dabei mehr als reine Perioden-Kalender. Sie erlauben die Eingabe weiterer Werte wie zum Beispiel Störfaktoren, welche die Regelmäßigkeit des Zyklus beeinflussen können.

Die Vorteile der NFP per App: Die natürliche Verhütungsmethode hat keine Nebenwirkungen. Die Apps sind flexibler als herkömmliche Zyklus-Computer und immer und überall dabei. Die Berechnung der fruchtbaren Tage hilft zudem nicht nur bei der Verhütung. Paare mit Kinderwunsch sehen so auch, wann es am besten mit dem Schwangerwerden klappt.

Stiftung Warentest warnt: Die meisten Zyklus-Apps sind nicht wirklich sicher

So viele Vorteile die natürliche Verhütung mit Hilfe von Apps auf den ersten Blick auch hat: Frauenärzte kritisieren sie als eher unsichere Methode. Nicht funktioniert hat die Verhütung zum Beispiel bei einigen Schwedinnen: Innerhalb von drei Monaten registrierte ein Krankenhaus 37 schwangere Frauen, die mit einer beliebten App verhütet hatten.

Schon im vergangenen Jahr untersuchte Stiftung Warentest 23 deutschsprachige Zyklus-Apps. Nur drei davon bekamen die Gesamtnote „gut„. Dazu gehörten die Apps Lady Cycle und MyNFP. Beide arbeiten mit der symptothermalen Methode.

Für eine App gab es die Note „ausreichend„, für die 18 restlichen vergaben die Tester das Urteil „mangelhaft„.

Viele dieser Apps berechnen den Zeitpunkt des Eisprungs allein anhand statistischer Daten wie der mittleren Zykluslänge. Auf Grundlage des Vormonats ziehen diese Apps Rückschlüsse auf die Fruchtbarkeit im aktuellen Monat. Schon eine längere Sporteinheit, Schichtdienst oder durchtanzte Nächte können den Zyklus allerdings durcheinander bringen. Dann stimmt die Berechnung nicht mehr.

Warum können viele Zyklus-Apps nicht überzeugen?

Reine Zyklus-Tracker zur Verhütung zu verwenden, bezeichnen Frauenärzte als unverantwortlich. NFP-Apps, die nach der symptothermalen Methode arbeiten, gelten als sicherer.

Aber auch an diesen Apps gibt es Kritik. Denn auch die Höhe der Körpertemperatur hängt von vielen Faktoren ab. Krankheiten können diese verändern, aber auch schon Stress, wenig Schlaf oder Alkohol wirken sich auf die Temperatur aus. Einige Apps erlauben zwar die Eingabe solcher Zusatzdaten. Ob die Temperaturerhöhung am Morgen auf den Eisprung zurückzuführen ist oder auf eine Veränderung im Tagesablauf, können sie aber nicht zuverlässig bestimmen.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Für die NFP gibt es keine einheitlichen Regeln. Als gängig und zuverlässig gilt in Deutschland das NFP-Regelwerk nach Sensiplan©. Je nachdem, wie genau Paare die Regeln einhalten und Frauen ihren Zyklus auswerten, hat die Methode einen Pearl Index zwischen 0,4 und 2,3. Das bedeutet, im Schnitt werden 0,4 bis 2,3 von 100 Frauen trotz Verhütung nach Sensiplan© schwanger. Zum Vergleich: Die Pille hat einen Pearl Index von 0,1 bis 0,9.

Bei Sensiplan© handelt es sich jedoch um eine eingetragene Marke. Einige Apps werten zwar nach diesen Regeln aus, geben dies aber nicht an, um keine Markenrechte zu verletzen. Andere Apps nutzen eigene Algorithmen. Meist ist es in der Kurzbeschreibung der App nur von einer „Auswertung nach NFP-Regelwerk“ die Rede. Um welche Regeln es sich dabei genau handelt, erfahren Frauen oft erst, wenn sie die App installiert haben.

Zudem sieht die Verhütung nach Sensiplan© eine intensive Beratung der Paare vor. Für die Methode gilt es nämlich, äußerst sorgsam und genau vorzugehen. Außerdem müssen Frauen einige Kürzel kennen, wenn sie ihre Daten richtig notieren wollen. Diese Beratung ist bei den Apps oftmals nicht gegeben.

Welche Apps arbeiten nach dem NFP-Regelwerk?

Welche Apps arbeiten nun mit der Verhütung nach dem NFP-Regelwerk? Hier ist eine Auswahl:

  • myNFP Mobile: Die App eignet sich vor allem für geübte Anwenderinnen, die sich mit der natürlichen Verhütung und den dazugehörigen Kürzeln schon etwas auskennen. Infos gibt es auf dem Portal myNFP.
  • Ovy: Die relativ neue App startete mit einem eigenen Algorithmus, ist aber mittlerweile NFP-konform.
  • Neome: Die recht neue App wertet ebenfalls nach NFP-Regelwerk aus. Beim Start der App gibt es erst einmal eine ausführliche Einführung.
  • Lily: Die App lässt Anwenderinnen die Wahl zwischen dem NFP-Regelwerk und der amerikanischen FAM-Variante. Die NFP-Regeln sind etwas vereinfacht, um die natürliche Verhütung für Einsteigerinnen leichter zu machen.

Die vom TÜV Süd zertifizierte App Natural Cycles arbeitet nicht nach dem NFP-Regelwerk, sondern wertet Basaltemperatur und Zyklusdaten mit einem eigenen Algorithmus aus.

Frauenärzte: Zyklus-Apps müssen zertifiziert werden

Der Berufsverband der Frauenärzte fordert mittlerweile eine bundeseinheitliche Zertifizierung von Verhütungs-Apps. Die gewünschten Kriterien:

  1. Frauen sollten mit qualifizierten Berater*innen Kontakt aufnehmen können.
  2. Die Apps sollten darauf hinweisen, dass die Verhütungsmethode über mehrere Monate hinweg erprobt werden muss, um sicher zu sein.
  3. Die Anbieter sollen ihre langfristige Finanzierung offen legen, um sicherzustellen, dass sie die Daten der Anwenderinnen nicht an Dritte verkaufen.
  4. Eine eventuelle Datenweitergabe muss von den Nutzerinnen ausdrücklich erlaubt werden.

Verhütungs-Apps: Worauf solltest Du achten?

Wer sich für die natürliche Familienplanung mit Hilfe einer App entscheidet, sollte einige Dinge beachten:

  1. Die Beschreibung in den App-Stores sollte darauf hinweisen, welche Auswertungsmethode die App nutzt.
  2. Die App sollte mindestens auf Basis der symptothermalen Methode arbeiten. Reine Zyklus-Tracker sind zur Verhütung ungeeignet.
  3. Die Beschreibung sollte angeben, welche Daten von den Benutzerinnen eingegeben werden müssen.
  4. Wer die Apps nutzen möchte, sollte sich außerdem die Anleitung genau durchlesen.
  5. Damit die NFP funktioniert, ist etwas Übung und Wissen erforderlich. Wer sich mit den notwendigen Daten und Kürzeln noch nicht genau auskennt, sollte etwas Zeit investieren und sich in die Thematik einlesen.
  6. Von Vorteil sind Apps, deren Anbieter auch Kontakt zu persönlichen Berater*innen ermöglichen.
1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne
2 Bewertungen, durchschnittlich: 5,00 von 5 Sternen
Simone von smartphonepiloten.de

Simone Gerdesmeier ist als freie Journalistin und ausgewiesene Mobilfunk-Expertin seit mehr als drei Jahren ein fester Bestandteil der smartphonepiloten-Redaktion.

Sie beschäftigt sich mit Themen wie Digital Lifestyle, aktuellen Tarifchecks sowie die Toplisten der Apps, die Du kennen musst.

Themen wie Gesundheit, Fitness und Ernährung haben es ihr besonders angetan und daher versuchen wir, den Spagat zwischen diesen Bereichen und der Welt des Mobilfunks hier zu meistern

Artikel & Beiträge von Simone Gerdesmeier

You may also like...

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert